Freitag, 30. Juli 2010

Ein Ende kann auch ein Anfang sein

Nach dem sehr angenehmen, leckeren und langen Freitag bei al-shaaq ist das Sommersemester Vergangenheit und auch das Seminar, um das es in diesem Blog ging, ist nun vorbei. Zeit einen Schlußstrich zu ziehen? Jein. Zeit für ein Fazit? Auf jeden Fall!

Kommen wir zuerst zum Fazit. Eines für das Blog könnte so lauten: Viele Ansätze, viele Ideen, einige Umsetzungen, aber noch viele lose Enden. Was ich nicht alles vorgehabt habe! Irgendwie habe ich das Gefühl, mit nichts fertig geworden zu sein, was ich mir vorgenommen habe. Mein Geschichtsrückblick - versackt. Teil zwei der privaten Balkanerlebnisse - nie verfasst. Ein eigener Beitrag zur Nationalismusdebatte - nicht da. Und so geht es weiter. Mein persönliches Blogfazit lautet daher: Es war mehr drin. Aus Sicht des Seminars und dessen Vorgaben liege ich aber mit der Aktivität des Blogs in der gewünschten Norm. Dadurch kann ich mich also etwas entspannen! :-)

Womit ich bei meinem zweiten Fazit bin. Die Veranstaltung zu Islam und Balkan war ohne Frage die bisher kreativste, unvorhergesehenste, diskussionsreichste und auch - was persönliche Bekanntschaften und Interaktion angeht - die persönlichste Veranstaltung in meiner schon etwas länger andauernden Studienzeit. Daher ein ganz dickes Lob an Stefan und alle anderen Teilnehmer! Auf der anderen Seite habe ich immer noch das Gefühl, dass vieles nur angekratzt wurde, dass viele lose Fäden nun unverbunden im Raum stehen. Waren einige Seminartage konkret, so endeten einige mit netten Gesprächen und Diskussionen, aber ohne wirkliches Ergebnis. Ergebnissicherung war damit natürlich schwer, aber braucht man das überhaupt?

Wenn das Seminar eines bei mir erreicht hat, dann ist das a) eine Vertiefung des Interesses an der Region und b) eine Bestätigung über einen nur allzu menschlichen Sachverhalt: Man lernt nie aus! Das Ende des Seminars ist damit also nicht gleichbedeutend mit der "ich habe nun alles erfahren, was ich wissen muss, also nächstes Thema"-Manie vieler BA-Studiengänge. Wer das erwartet hat, der war sicherlich falsch. Vielmehr wurden Reizpunkte gesetzt, Interesse geweckt und Ansatzpunkte für neue, tiefergehende Überlegungen geschaffen. Im Sinne der verschulten Studiengänge wohl nicht das gewünschte Resultat. Im Sinne von "Wissen schaffen" ein möglicher Startschuß für eine wissenschaftliche Schwerpunktbildung.

Meine persönliche Bewertung des Seminars ist absolut positiv: Ich habe sehr nette Menschen kennengelernt und hoffe, den ein oder anderen Kontakt halten zu können. Ebenfalls konnte ich viele neue Erfahrungen machen und Informationen sammeln, die ohne diese sehr intensive Form des Seminars nicht möglich gewesen wäre. Einige Erkenntnisse der Anfangszeit kann ich nun neu einordnen und überdenken, andere Ansätze haben sich verfestigt. Ohne Frage ist die Region Balkan nun in meiner persönlichen Mindmap fest verankert. Zu guter Letzt im Fazit nun die Antwort auf die Frage, wo der Balkan beginnt! Gespannt? Der griechische Vorsitzende meines Vereins beantwortete die Frage sehr einfach: Alles südlich der Donau ist Balkan. Er als Grieche also auch. Wenn das nur mal so einfach wäre... Aber wer weiß, vielleicht ist es einfach. Diese Aussage wird mir aus einer bestimmten Ecke wieder einen Nierenhieb versetzen, aber das kann ich ab. :-)

Vielen Dank an euch Alle für angenehme Stunden! Ich wünsche Euch für Eure zukünftigen Studien und Projekte alles erdenklich Gute und hoffe, mit dem ein oder anderem in Kontakt zu bleiben!

Ob ich an dieser Stelle weiter zum Balkan blogge ist derzeit noch offen. Wer aber mehr von mir lesen mag, auch zu ganz anderen Themen, der ist herzlich eingeladen, sich mal unter www.kannix.eu umzuschauen!

In dem Sinne: Macht et jut!

Liebe Grüße, Thomas

Mittwoch, 14. Juli 2010

Serbien <-> Kosovo: Tut sich was?

Die Onlineausgabe meiner Tageszeitung, wie auch viele andere Medien, meldete am 09. Juli folgendes:
Serbien will Gebietstausch mit Kosovo

Zur Lösung des Konflikts um den seit zwei Jahren unabhängigen Staat Kosovo will Serbien nach einem Medienbericht einen Gebietstausch anbieten. Das berichtete die serbische Zeitung «Blic» unter Berufung auf entsprechende Bemühungen der Regierung.



Danach solle der Norden Kosovos mit seiner serbischen Bevölkerungsmehrheit Serbien angegliedert werden. Im Gegenzug solle Kosovo Teile des Presevo-Tals erhalten, das im Süden Serbiens an der Ostgrenze zu Kosovo liegt. Dort stellen die Albaner mit 80 Prozent die Mehrheit.

Nach Darstellung der Zeitung will Serbien bei der EU, den USA und den UN dafür Unterstützung erhalten. Diese Initiative beinhalte auch, dass die mittelalterlichen serbischen Klöster im Kosovo unter international kontrollierte Verwaltung der Serbisch-Orthodoxen Kirche gestellt werden. Als Gegenleistung will Serbien Kosovo die bisher verweigerte Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen ermöglichen.

Dieser Schritt Serbiens werde nach dem für Ende Juli erwarteten Urteil des Internationalen Gerichtshofes (IGH) in Den Haag erwartet, heißt es in dem Bericht weiter. Serbien hatte bei diesem höchsten UN-Gericht Klage gegen die Selbstständigkeit seiner früheren Provinz Kosovo eingereicht. Das fast nur noch von Albanern bewohnte Kosovo ist bisher von mehr als 60 Staaten anerkannt worden. Darunter sind alle großen EU-Länder, die USA, Kanada, Japan, die Türkei und Saudi Arabien.

Es schaut also so aus, dass Serbien kein positives Votum durch den Internationalen Gerichtshof erwartet und stattdessen versucht, einen der größten Brocken auf dem Weg zu einem unabhängigen Kosovo diplomatisch aus dem Weg zu räumen. Damit reagiert Belgrad auch auf die Stationierung kosovarischer Polizeieinheiten in serbisch bewohnten Gebieten des Kosovo. Während Serbiens Präsident Boris Tadic offenbar auf eine Kompromisslösung aus ist, bezeichnet Hashim Thaci, der Regierungschef des Kosovo, neue Verhandlungen als unnötig: "Das Thema ist ein für alle Mal abgeschlossen".

Ich muss ehrlich sagen, dass mich das Entgegenkommen Serbiens überrascht. Auf die erkennbare Provokation des Kosovo durch die Stationierung von Polizeieinheiten reagiert Belgrad nicht mit Gegenprovokation. In meinen Augen ein Schritt in die richtige Richtung! Man darf auch hier gespannt sein, was die Zukunft bringt. Wichtig ist dabei vor allem, dass sich kein neuer militärischer Konflikt entzündet, der wiederum zu einem Flächenbrand werden könnte.

Balkan goes World Cup - Part IV: Adio Südafrika

Mit dem Endspiel am vergangenen Sonntag und der Krönung des neuen Weltmeisters Spanien endete die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Für die Balkannationen war es letztlich mehr ein "dabei" statt ein "mittendrin". Griechenland, Slowenien und auch das ambitionierte Serbien scheiterten in der Gruppenphase. Betrachtet man jedoch die in der Qualifikation knapp gescheiterten Bosnien-Herzegovina und Kroatien, dann hat der Fußball auf dem Balkan eine eindeutige Duftmarke gesetzt. Wo waren denn die Skandinavier diesmal? Oder die ehemaligen Sowjetrepubliken? Wo war das östliche Mitteleuropa? Richtig: Sie haben sich allesamt nicht qualifiziert (nimmt man jetzt mal Dänen und Slowaken etwas aus dem Blickfeld). Keine Schweden, keine Norweger, keine Russen, keine Ukrainer, keine Tschechen, keine Polen. Dafür aber Griechen, Slowenen und Serben. Darauf kann die Region stolz sein!



Es bleibt jedoch, wenn ich an meine kleine Utopie im WM-Vorfeld denke, der Beigeschmack, dass der Balkan eine viel größere Rolle im Weltfußball spielen könnte, wäre die territoriale Fragmentierung der Region unterblieben. Der Tennis-Davis-Cup hat jedoch auch gezeigt, dass die Prestigeduelle untereinander - wie jüngst der serbische Sieg über Kroatien - zu einer gegenseitigen Steigerung der sportlichen Leistung führen können. Ein Grund für die hervorragenden Leistungen der jugoslawischen Nachfolgestaaten könnte somit die geschaffene Konkurrenzsituation sein: "Besser sein als die Nachbarn" als sportliches Konjunkturpaket, sozusagen. Aber zurück zur Utopie: Sie ist eben das, was sie ist. Jugoslawien ist vergangen, jede Nation kämpft für sich um Anerkennung auf vielerlei Ebenen. Eben auch sportlich!



Während in Griechenland also die Ära Rehhakles endet, sich in Serbien Radomir Antic gegen seine Sperre wegen unsportlichen Verhaltens wehrt und in Slowenien das "wir waren dabei" als Erfolg gewertet wird, darf man weiterhin gespannt sein, was die Balkanregion in Sachen Sport in naher Zukunft zu bieten haben wird. Nach der WM ist vor der EM, die Qualifikation beginnt bereits in einem Monat. Die Türkei (so man sie zum Balkan zählt) trifft in der Gruppe A auf Deutschland, Slowenen und Serben müssen in der Gruppe C gegen Italien antreten, Rumänen und Albaner treffen in der Gruppe D auf Frankreichs Skandaltruppe, Moldawien hat die Niederländer vor der Nase in Gruppe E, Griechen und Kroaten haben in ihrer leichten Gruppe F am ehesten Israel zu fürchten und letztlich treffen Bulgarien und Montenegro in der Gruppe G auf England.



Schauen wir mal, wie sich der Fußball auf dem Balkan in Zukunft entwickelt!

Adio, Südafrika!


PS: Die WM-Impressionen zwischendrin sind Bilder vom WM-Public-Viewing vor dem Kultucafe und mir dankenswerterweise von Liliya zur Verfügung gestellt worden.

Srebrenica 1995-2010

In diesen Tagen jährt sich das Massaker von Srebrenica zum 15ten Mal. Bis zu 8.000 vorwiegend bosnisch-muslimische Einwohner der UNO-Enklave wurden Mitte Juli 1995 durch das Drina-Korps der serbisch-bosnischen Armee unter Führung von Ratko Mladic hingerichtet. Auch die Anwesenheit niederländischer Blauhelme konnte die Tragödie nicht verhindern. Ihnen fehlten sowohl militärische Mittel, als auch humanitäre Courage. Ein Bombardement, das den Vorstoß der Milizionäre hätte stoppen können scheiterte: Die Zielliste für den Angriff konnte wegen eines defekten Faxgerätes nicht rechtzeitig weitergegeben werden, anschließend war das Geschwader bereits auf dem Rückweg und das Drina-Korps in der Stadt. Verhandlungen scheiterten durch Naivität und Paragraphenreiterei auf der einen, durch Kaltblütigkeit und Lüge auf der anderen Seite.



Niemand stoppte den größten Massenmord nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst Ende des Monats debattierte der Weltsicherheitsrat über die "Wiederherstellung" der Schutzzone von Srebrenica - Beweise für die Exekutionen lagen laut des Sebrenica-Berichts der Vereinten Nationen von 1999 nicht vor. Das holländische Blauhelmkontingent rückte aus Srebrenica ab und wurde - man mag es in der Retrospektive kaum glauben - daheim gefeiert und durch Regierung und Königshaus begrüßt. Erst später schlug die Stimmung um, die niederländische Regierung stolperte im Zuge der Aufklärung 2002 über ihren im Nachhinein fragwürdigen Umgang mit dem Massenmord von Srebrenica. Während einige seiner Gefolgsleute durch das UN-Kriegsverbrechertribunal verurteilt wurden, ist Ratko Mladic weiterhin untergetaucht. Anstelle eines "korrekten Angriffs" und einer "hervorragend geplanten Militäroperation" (Oberstleutnant Karremans) steht Srebrenica heute als Chiffre für einen geplanten und systematisch durchgeführten Völkermord.



Im Gedenken an die vielen tausend Opfer der Tragödie von Srebrenica.

Wer mehr erfahren will, der findet einen guten Überblick hier:

Ihlau, Olaf u. Mayr, Walter: Die Tränen von Srebrenica, in: Dies. (Hg.): Minenfeld Balkan, Der unruhige Hinterhof Europas, München 2009