Montag, 31. Mai 2010

Verdammte Axt ist das geil

Ja, das war er: Der Eurovision Song Contest. Und er hat - zumindest aus deutscher Sicht - Geschichte geschrieben. Danke, Lena! Ich habe lange Jahre nicht mehr eingeschaltet, doch dieses Mal habe ich es nicht bereut. Mir hat die Show sehr gut gefallen, vor allem die Qualität der Beiträge hat nur noch wenig mit der früheren Jux- und Folkloreveranstaltung zu tun, zu dem der Wettbewerb zeitweilig in meinen Augen verkommen war. Ausnahmen nach oben gab es zwar immer, doch diesmal waren eher die nach unten die Ausnahme! Besonders angetan war ich von der frischen und modernen Präsentation des Wettbewerbs durch die Norweger. Das war nicht mehr der verstaubte Grand Prix d'Eurovision de la Chanson.

Leider bin ich kränkelnd, daher verblasst zum Teil schon die Erinnerung an die seminaraffinen Beiträge. Daher fasse ich sie nochmal zusammen: Hinter Gold-Lena auf dem zweiten Platz landete die türkische Band ManGa, die mich spontan an Tokio Hotel goes Turkey erinnert hat, aber mit einer soliden Rockpopnummer mit hymnischen Elementen ihren Platz durchaus verdient hat. Ebenfalls auf dem Stockerl landete mit der rumänischen Klaviernummer von Paula Selling & Ovi einer der Songs, der mir spontan sehr gut gefallen haben. Dabei gehe ich nun mal von einem weit gefassten Balkanbegriff aus.

Mein persönlicher Favorit hat geographisch wenig mit dem Balkan zu tun, zeigte jedoch für mich viele musikalische Elemente der Region, die offenbar auch jenseits des Schwarzen Meeres zu finden sind. Klammer um das schöne "Apricot Stone" von Eva Rivas in diesen Blog einbauen zu können, dürfte das Osmanische Reich sein. Ebenfalls sehr balkanaffin empfand ich den griechischen Beitrag von Giorgos Alkaios & Friends, der mit dem achten Platz den Song Contest unter Beachtung eines engen Balkanbegriffes gewinnen konnte.

Der zweite Platz in dieser Reihenfolge und der dreizehnte insgesamt geht dann an den Song, der namensgebend für mein Blog ist: "Ovo je Balkan" von Milan Stankovic. Es war einer der wenigen Beiträge in Landessprache, das könnte für weniger europäische Punkte gesorgt haben. Insgesamt fand ich ihn überraschend anders im Vergleich zur Konkurrenz, aber eben auch nicht so superdoll, dass es für einen besseren Platz hätte reichen können. Aber das ist ja immer subjektiv. :-)

Juliana Pasha aus Albanien versuchte es dann mit einer Tina Turner-Copy, konnte dabei jedoch nicht an das Original herankommen. Nett anzuhören, aber auch schnell wieder aus dem Kopf weil es eben nicht herausstechen konnte: Platz 16. Einen Platz dahinter folgte Mit "Thunder & Lightning" von Vukasin Brajic ein richtig guter Song, der nicht nur am nächsten an meine persönliche Musikvorliebe kam, sondern auch eine schöne politische Botschaft beinhaltete: "Let's overcome the past, we have to do it fast!" Gerade in Bosnien-Herzegovina eine wichtige Sache, jedoch wohl eher nicht so bald zu erreichen, wie wir schon erfahren haben. Für mich persönlich insgesamt weit unter Wert platziert, so oder so!

Also mal zusammengefasst die Charts, einmal meine, einmal die der Balkanbeiträge:

Thomas - 1. Armenien, 2. Rumänien, 3. Dänemark, 4. Bosnien-Herzegovina (für Deutschland hätte ich ja nicht anrufen dürfen)

Balkan (eng) - 1. Griechenland, 2. Serbien, 3. Albanien, 4. Bosnien-Herzegovina,

Balkan (weit) - 1. Türkei, 2. Rumänien, 3. Armenien, 4. Griechenland

Alle Songs zum reinhören und selbst beurteilen findet ihr unter: http://eurovision.ndr.de/teilnehmer/teilnehmer26.html - würde mich über eure Meinungen freuen! Nun aber lege ich mich wieder hin, bis Freitag!

2 Kommentare:

  1. lieber Thomas,

    danke für die analyse! hast du unsere diskussion in StudiVZ verfolgt!

    besonders gut gefällt mir deine eng/weit-handhabung des balkans! also, ich sehe Armenien mit Eva Rivas - geschmackstechnisch gefärbt - voll im Balkan! :)

    ich habe mich mittlerweile in den maNga-titel regelrecht verliebt und höre auch "ovo je balkan" immer noch gerne - doch doch, Stanković hat da eine solide einfache tanznummer geliefert - wenn ich auch den eindruck habe, dass das auf so einer art von bühne nicht sooo gut funktioniert.

    lasse mich nun von der musik zu botschaften überleiten! "botschaften in der musik" sind so eine sache und ich bin ein freund der ansicht, dass sänger, wenn sie denn eine "botschaft" meinen zu haben, diese auch klar formulieren, damit nicht generationen von deutsch-schülern danach interpretatives rätselraten spielen müssen. "let's overcome the past" ... ja, das ist doch mal klar, finde ich!

    meine frage an dich als blogger, historiker und nicht zuletzt als mensch aus fleisch und geist und blut:

    so ich die aufforderung von Brajić annehmen möchte, was habe ich denn dann zu tun? kann sich der mensch dafür entscheiden, die vergangenheit loszulassen? kommen dann die profi-geschichtsschreiber und sagen "finger weg! unsere angelegenheit jetzt!" also, wie geht das, "overcome the past"?

    und mich irritierte wirklich dieser nachsatz "fast!" - denn hier fühlte ich mich an meinen alten chef erinnert, der seine arbeitsanweisungen gerne einleitete mit "kannst du mal eben schnell..." - denn seitdem habe ich beschlossen, jegliches "mal eben schnell" rigoros von mir zu weisen!

    beschäftigen sich eigentlich die Historiker mit solch einer frage? wie überwinde ich die vergangenheit? oder sollte ich sagen "bewältigen"? warum sagen wir deutschen eigentlich "BEWÄLTIGEN"?? woher kommt "OVERCOME"? und wie sage ich das auf arabisch und türkisch?

    Janina hatte in ihrem blog schon mal eine ähnliche seite aufgeschlagen - vielleicht magst du dort meine kommentare auch noch einmal nachlesen!

    viele liebe grüße
    Stefan

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  2. Was Geschichte anders denken angeht, checkt mal:

    F. Nietzsche: Unzeitgemässe Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben)

    F. Fukuyama: Das Ende der Geschichte und der letzte Mensch

    J. Derrida: Grammatologie

    Vorallem bei Derrida bedingen Kultur- und Mediengeschichte (Schrift,Einschreibung, Spur, Archiv,etc) sich gegenseitig

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